Die Vor- und Nachteile einer Finanztransaktionssteuer
Kann eine Finanztransaktionssteuer die Spekulation eindämmen? Wäre eine Finanztransaktionssteuer auch im Alleingang möglich?
Seit
über 40 Jahren diskutiert man nun schon über eine
Finanztransaktionssteuer, aber bis heute hat sie sich nicht
durchgesetzt. Nach
der Banken- und der anschließenden Staatsfinanzkrise ist die
Finanztransaktionssteuer wieder einmal hochaktuell. Besonders im
Euroraum wird sie von manchen Parteien lebhaft eingefordert (weil man
hauptsächlich den Spekulanten die Schuld am Desaster gibt).
Doch was bringt eine Finanztransaktionssteuer? Kann sie die
aufgestauten Probleme lösen?
Das
grundsätzliche Problem der
Finanztransaktionssteuer:
Durch
den Einsatz raffinierter Computerprogramme (und niedriger Zinsen
seitens der Zentralbanken) weitet sich der spekulative Handel mit
Devisen, Aktien, Rohstoffen, Staatsanleihen usw. weiter
aus. Das
meiste Geld, das heute im Sekundentakt angelegt wird (automatisierter
Hochfrequenzhandel), dient nicht der langfristigen Investition,
sondern lediglich der Auslotung der Preise (Kurse) und damit der
Spekulation (Kasinokapitalismus). Die Kurse bewegen sich deshalb
(abgesehen vom täglichen allgemeinen Trend) fast ständig im
Zickzack, gehen also für einige Minuten rauf und dann wieder
für einige Minuten runter.
Diese
kurzlebigen Schwankungen nutzen Zocker zum Ein- und Ausstieg. Sobald
ein kleines Zwischenhoch erklommen wurde springen sie ab, um einige
Minuten später nach Erreichen der mutmaßlichen Talsohle in
das gleiche Objekt wieder einzusteigen.
Über
den Sinn dieser skurrilen Investments scheiden sich die Geister. Die
Zocker argumentieren, das ständige Hin und Her mindere die
Gefahr eines Crahs, weil die Preisfindung extrem schnell und aktuell
verläuft. Sie behaupten, dass dadurch Übertreibungen
abgeschwächt und Missstände schneller sichtbar werden. So
hätte zum Beispiel erst die drastische Verteuerung griechischer
Staatsanleihen Politikern die Augen geöffnet.
Ich persönlich halte eine solche Argumentation für arg
geschönt. Denn Spekulationsblasen und Finanzkrisen sind seit
Bestehen des elektronischen Kurzzeithandels nicht seltener geworden -
eher das Gegenteil ist der Fall. Auch die Schwankungsbreite der
gehandelten Werte (Aktien, Devisen, Staatsanleihen, Rohstoffe) hat
sich leider vergrößert.
Ich sehe in dem Kurzzeithandel eher ein spekulatives Schmarotzertum - den Zockern geht es nicht um nachhaltige Investitionen (Wirtschaftsbelebung), sondern um das schnelle Geld. Sie nutzen eine Lücke, die der seriöse Kleinanleger nicht hat (er kann nicht im Sekundentakt ein- und aussteigen).
Die
Gretchenfrage: Ist der Kurzzeithandel gut oder böse?
Ich
vertrete die Ansicht, dass die Kurzzeitzockerei nicht zur Beruhigung
der Märkte beiträgt, sondern doch vorwiegend Hektik
verbreitet.
Von einem seriösen Anleger darf man erwarten, dass er sich vor
seiner Entscheidung sorgfältig über die Sicherheit und
Wertentwicklung seiner geplanten Investition informiert. Sein
Markteingriff geschieht also in der Regel wohlüberlegt und daher
auch gerecht(fertigt).
Der Kurzzeitzocker hat aber ganz andere Prämissen. Ihn
interessiert weniger, wie ein Aktienkonzern oder ein Staat in 6, 12
oder 24 Monaten dasteht, für ihn sind die nächsten
fünf oder zehn Minuten ausschlaggebend.
Vor-
und Nachteile der
Finanztransaktionssteuer:
Ein
Alleingang ist wenig sinnvoll, wenn ...
Die
Einführung einer Finanztransaktionssteuer scheiterte bisher am
Einigungswillen der Nationalstaaten. Dass Alleingänge
erhebliche Schäden anrichten können, haben manche
Länder bereits per Experiment schmerzvoll erfahren müssen
(zum Beispiel Schweden). Die
Hoffnung, andere Länder würden dem eigenen guten Beispiel
folgen und ebenfalls eine Finanztransaktionssteuer einführen,
erfüllte sich bisher nie. Und so blieben auch die geplanten
Mehreinnahmen aus, weil die Spekulanten, wie zu erwarten, ihre
Transaktionen auf andere (abgabenfreie) Finanzplätze
verlagerten.
Diese Erfahrungen lehren: Ein Alleingang eines Landes ist ohne Sondermaßnahmen in der Tat kaum anzuraten - zumindest solange die beiden wichtigsten Akteure, die USA und Großbritannien, sich einer Finanztransaktionssteuer verweigern. Leider ist trotz der akuten Krise von den Regierungen dieser beiden Schlüsselstaaten kein Meinungswechsel zu erwarten - einfach weil ihre Länder extrem vom Finanzsektor abhängig sind.
Wirkt
die Finanztransaktionssteuer wie eine Mehrwertsteuer?
Im
heißen Kampf gegen die Einführung der
Finanztransaktionssteuer werden häufig Argumente ins Feld
geführt, die nicht der Aufklärung, sondern der allgemeinen
Verunsicherung dienen. So verweist man zum Beispiel liebend gern auf
den Teuerungseffekt, den eine Finanztransaktionssteuer auslösen
würde. Es heißt, letztlich müssten (wie bei der
Mehrwertsteuer) nicht die Investoren, sondern die Verbraucher die
Zeche zahlen und mit jeder Geldüberweisung ihren Obolus
entrichten.
Ich halte diese Ängste für übertrieben. Denn erstens könnte man sehr wohl die Finanztransaktionssteuer auf rein spekulative Geschäfte beschränken (sie also aus dem normalen Zahlungsverkehr heraushalten). Und zweitens wäre die Finanztransaktionssteuer beim anvisierten Steuersatz von maximal 0,05 % sowohl für Firmen als auch für den Normalverbraucher recht unerheblich. Ein 4-Personen-Haushalt käme im Jahr auf höchstens 50 Euro zusätzliche Kosten - wobei diese Einnahmen aber nicht verloren sind, sondern der staatlichen Haushaltskonsolidierung dienen (also andere Steuern ersetzen).
Vor-
und Nachteile der Finanztransaktionssteuer:
Wer
ist Schuld an den Spekulationen?
Die
aufgeregten Diskussionen um die Finanztransaktionssteuer scheinen mir
doch eher wahltaktischer Natur zu sein. Die
Finanztransaktionssteuer wird häufig missbraucht, um von den
eigentlichen Ursachen des Kasinokapitalismus abzulenken.
Verantwortlich für die Misere sind nicht zuletzt die
Zentralbanken, die seit vielen, vielen Jahren Unmengen von selbst
generiertem Billiggeld in die Märkte pumpen, um
Staatsschulden
zu finanzieren
und die Konjunktur zu beleben.
Das weltweit vagabundierende Billiggeld der Zentralbanken
untergräbt die natürlichen Mechanismen einer gesunden
Marktwirtschaft, führt zu irrwitzigen Investitionen (Beispiel
Immobilienblasen), hohen Haushaltsdefiziten und heißen
Spekulationen.
Weitere
denkbare Maßnahmen zur Eindämmung unerwünschter
Spekulationen
Nationale
Regierungen könnten auch ohne Finanztransaktionssteuer im
Alleingang die Zockerei an den Börsen
eindämmen. Denkbar
wäre zum Beispiel eine Haltepflicht der Investments von 24
Stunden. Während dieser Sperrfrist dürften die Bürger,
Banken und Versicherungen eines Landes ihre Papiere nicht
veräußern. Natürlich dürften sie sich dann auch
nicht in indirekter Form oder im Ausland an derlei Kurzwetten
beteiligen.
Alternativ könnte auch eine Klausel helfen: Nur wer sein Investment weniger als 24 Stunden hält, muss eine Finanztransaktionssteuer zahlen (die dann aber höher als die diskutierten 0,05 % angesetzt werden müsste). Das würde bereits genügen. Damit blieben unsere deutschen Finanzzentren weitgehend unbeschadet und trotzdem würde der Zockerei zumindest in Deutschland ein Riegel vorgeschoben. Dieser Schachzug würde also nicht nur die Spekulation bekämpfen, sie würde auch die Bevölkerung vor riskanten Investments schützen.
Ich wage zu behaupten, dass seriöse Finanzplätze (wie zum Beispiel Frankfurt) auf die Geschäfte der Berufszocker nicht angewiesen sind. Ebenfalls hilfreich wäre eine stärkere Kontrolle der Hedgefonds, die Abschaffung der Sonderrechte für Schattenbanken, ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen (Wetten auf fallende Kurse) und die Erhöhung der Eigenkapitalquote für Geldanlagen.
Nicht
vom eigentlichen Übel ablenken!
Natürlich
bringt es volksnahen Politikern Sympathie, wenn sie energisch gegen
böse Spekulanten und Investmentbanker wettern. Dabei lenken sie
mit ihren Hetztiraden aber oft nur von eigener Schuld und eigenen
Versäumnissen ab.
Hauptursache der meisten Spekulationsblasen sind, ich
erwähnte es bereits, die Zentralbanken, die mit zinsbilligem
druckfrischen Geld die Märkte überschwemmen.
Schuld
an den globalen Verwerfungen sind aber auch die durch den Zollabbau
angezettelte Globalisierung, die EU und der Euro, die die
Finanzmärkte unkontrollierbar werden ließen und eine
gerechte und effiziente Marktwirtschaft ausschließen.
Schuld sind außerdem die ewigen Wahlversprechen und
übertriebenen
sozialen Wohltaten,
die die Staatsschulden immer weiter anwachsen
ließen.
Die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer ist selten mehr als ein Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen - ein Stigma zur Beruhigung der Massen. Vor allem aus der Opposition heraus kann man listig auf eine Finanztransaktionssteuer pochen - wohl wissend, dass sie im Alleingang ohne begleitende Sondermaßnahmen wenig Sinn macht und eine internationale Umsetzung mehr als unwahrscheinlich ist.
Kann
nicht doch Deutschland im Alleingang eine
Finanztransaktionssteuer
Gerätselt
wird derweil, ob Deutschland nicht doch im Alleingang eine
Finanztransaktionssteuer einführen könnte. Es heißt,
es wären doch nur wenige Geschäfte von diesen
zusätzlichen Kosten betroffen - und wenn man die wenigen Zocker
vertreibt, so könnte es dem Staat doch nur recht sein. Auch
glaubt man an eine positive Signalwirkung für andere
Länder.
Für die BRD erwarten die optimistischen Experten durch die
Finanztransaktionssteuer jährliche Mehreinnahmen von 10-20
Milliarden Euro (weltweit sollen es an die 400 Milliarden Euro sein).
Doch derlei Rechenspiele halte ich für absurd und weltfremd
(weil die Steuer den gesamten Finanzhandel verändern
würde).
Wenn Deutschland im Alleingang oder zusammen mit einigen Euroländern eine Finanztransaktionssteuer einführen sollte, müsste meines Erachtens den Bürgern und Unternehmen dieser Länder untersagt werden, steuerfreie Finanzplätze zu nutzen. Nur so könnte die Kapitalflucht weitgehend verhindert werden. Wer sich an ein solches Verbot nicht traut oder eine derartige Notwendigkeit unerwähnt lässt, scheint mir an einer Umsetzung der Finanztransaktionssteuer nicht wirklich interessiert.
Kurzgefasst: 1.
Die Finanztransaktionssteuer ist kein Allheilmittel.
2.
Die Finanztransaktionssteuer lässt sich auch im
Alleingang durchsetzen,
3.
Die Finanztransaktionssteuer ist kein Ersatz für
dringlichere Maßnahmen,
Die
Steuer wird vielerorts missbraucht, um von den
Grundübeln des Zollabbaus (Globalisierung/EU) und dem
druckfrischen Billiggeld der Zentralbanken
abzulenken.
wenn man ehrlich argumentiert und die drohende
Kapitalflucht durch Verbote
weitgehend verhindert.
Schaffung
intakter
Binnenmärkte,
Abkehr vom Billiggeldsystem der Zentralbanken,
Konsolidierung der Staatshaushalte.
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Aufklärung der Bevölkerung ebnet den Weg für
notwendige Reformen. Es dankt Ihnen Manfred J. Müller
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©
Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung
2010
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
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von Manfred Julius Müller
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