Wie
lassen sich Steueroasen austrocknen?
Eine
freie Meinungsäußerung von Manfred Julius
Müller
Es
gibt weltweit etwa 40 Steueroasen, in die Firmen und Privatiers
beträchtliche Gewinne auslagern. Man schätzt den
jährlichen Steuerverlust durch diese legale Steuerflucht auf
einige hundert Milliarden Euro.
In Wahrheit allerdings dürfte der Schaden um ein Vielfaches
höher liegen, denn schließlich verhindern die Steueroasen
weltweit eine faire Besteuerung, vor allem aber in den alten
Industriestaaten (die allgemeinen Steuertarife für
Millionäre und Großunternehmen wären höher, wenn
es die Steueroasen nicht gäbe).
Die
Steueroasen sind ein wesentlicher Krankheitsherd des
globalen Kapitalismus, denn sie verhindern eine angemessene
Besteuerung der Globalisierungsgewinnler und gestalten die
Finanzmärkte noch undurchsichtiger.
Steueroasen:
Warum
lassen wir uns das gefallen?
Muss
es Steueroasen geben, sind sie für die Menschheit notwendig und
sinnvoll?
Nein - Steueroasen brauchen wir nun wirklich nicht und wir
brauchen sie auch nicht zu tolerieren. Steueroasen sind genauso
überflüssig und schädlich wie Schiffspiraten am Horn
von Afrika.
Wer als
Staat mit Steuerfreiheit die Großabsahner des Globalisierung
anlockt, untergräbt das marktwirtschaftlich-kapitalistische
System zum Schaden der Menschheit.
Die Betreiber der Steueroasen sind gewissermaßen die
Schmarotzer dieser Welt, die durch ihr schamloses Verhalten
eigene Pfründe sichern und andere Staaten bestehlen (und damit
deren Existenz bedrohen).
Aber wie gesagt - man muss sich als zivilisierter Staat diese Schmarotzer-Perversion nicht gefallen lassen - man kann gegensteuern, wenn man nur ein wenig Mumm aufbringt und auch einmal etwas heißere Eisen anpackt.
Denn:
Ein Land wie beispielsweise Deutschland kann Firmen, die selbst oder
deren Tochterunternehmen Briefkastenfirmen in Steueroasen
unterhalten, leicht und locker boykottieren.
Wer Zweckgesellschaften in Steueroasen unterhält, sollte
hierzulande seine Waren oder Dienstleistungen gar nicht mehr
anbieten dürfen.
Nehmen
wir ein Beispiel. Ein bekannter mit Bananen handelnder Konzern
unterhält auf den Cayman Islands allein 30
Zweckgesellschaften.
Mit diesem Verschachtelungssystem fallen Steuern in den
Erzeugerländern kaum an (selbst die ärmsten Länder
werden somit um dringend notwendige Einnahmequellen gebracht).
Gäbe es in Deutschland ein Anti-Steuerflucht-Gesetz, dann
dürfte dieser Konzern seine Bananen eben nicht mehr hier
anbieten.
Wäre das ein Problem? Sicher nicht, dann würden eben andere Lieferanten die Lücke füllen. Würden andere gewichtige Länder dem deutschen Beispiel folgen, wäre der Spuk schnell vorbei - die meisten Firmen würden sich in Windeseile aus den Steuerparadiesen wieder zurückziehen.
"Anstatt
den Steueroasen Schmarotzertum vorzuwerfen sollten die
Industriestaaten lieber ihre Hausaufgaben erledigen und die
eigenen Steuertarife senken..." Die
Sprecher der Steueroasen handeln nicht nur parasitär,
sie sind auch noch frech und sarkastisch. In
einem Staat, in dem richtig produziert wird, fallen nun
einmal mehr Kosten an als in einem kleinen
Offshore-Reservat, das hauptsächlich von den
Erträgen lebt, die in fernen Kontinenten erarbeitet
werden. Müssten
die Steueroasen eine eigene Infrastruktur für eine
moderne Industriegesellschaft aufbauen, wären die
schlauen Sprücheklopfer mit ihrem Latein schnell am
Ende. Müssten
sie zudem humanitäre Aufgaben übernehmen
(Entwicklungshilfe, Zahlungen an die EU, Aufnahme von
Kriegs- und Armutsflüchtlingen, Nato-Einsätze
usw.) würde ihr parasitäres Geschäftsmodell
ebenfalls schnell zusammenbrechen.
Sie werfen den Sozialstaaten vor, viel zu hohe Steuertarife
anzuwenden. Dabei wissen sie genau, dass ein moderner
Sozialstaat nun einmal eine Unmenge von Leistungen
aufzubringen hat, um die Infrastruktur des Landes zu
erhalten.
Dann würden sie nämlich merken, wie teuer ein
normaler Staatsapparat kommt.
Wie
ließe sich ein Anti-Steuerflucht-Gesetz umsetzen?
Die
Politik liebäugelt ja immer gern mit internationalen Abkommen.
Das senkt die Eigenverantwortung und klingt so wunderbar wichtig und
fortschrittlich und die Betroffenen können sich und ihre Partei
mal wieder prächtig in den Medien präsentieren.
Dabei verlaufen diese globalen Verhandlungen aber immer äußerst zäh und es kommt selten etwas Vernünftiges dabei heraus, weil die Eigeninteressen der Länder höchst unterschiedlich sind und starke Lobbygruppen echte Fortschritte sabotieren.
Deshalb
gibt es, wenn man es wirklich ernst meint, eigentlich nur eines:
Jeder souveräne Staat muss Eigeninitiative entwickeln und
selbständig handeln!
Konkret für Deutschland könnte das heißen:
Stufe
1: Identifizierung der Steuerflüchtlinge!
Auch
in Deutschland hat man es geschafft, den Firmen die
Veröffentlichung ihrer Steueridentifikationsnummer abzuverlangen
(auf Rechnungen, Briefbögen und im Internet). Diese Nummer dient
dazu, die Steuerhinterziehung zu erschweren.
Nun könnte man auf gleichem Wege noch einen Schritt weitergehen. Warum sollte es nicht möglich sein, auch noch die Veröffentlichung der steuerrelevanten Geschäftsverbindungen zu Steueroasen zu verlangen?
Neben
der bereits bestehenden Identifikationsnummer könnten
Unternehmen, die direkt oder über eine noch so entfernte
Firmentochter auf den Caymans ein Büro oder eine
Zweckgesellschaft unterhalten, ein Kürzel angeben.
Etwa SO für Steueroase und CI für Cayman Islands (FL
fürs Fürstentum Liechtenstein, FM für Monaco
usw.).
Diese Informationen wären für alle Kunden und
Geschäftspartner des Mutterkonzerns sehr nützlich - und
für unsere Finanzbehörden sicher auch.
Stufe
2: Handelsverbot für Güter und Dienstleistungen von Firmen,
die sich durch Steueroasen Wettbewerbsvorteile verschaffen!
Nach
Abschluss der Stufe 1 und einer Scham- und Anpassungsfrist von 3
Jahren könnten alle Firmen, die partout nicht von den
Steueroasen lassen wollen, ein "Veräußerungsverbot"
für unser Land bekommen.
Sie dürften dann ihre Produkte und Dienstleistungen hier nicht
mehr anbieten. Die Konkurrenz dieser Firmen würde sich über
die Sturheit der Steuerflüchtlinge sicher freuen und gerne deren
Marktanteile übernehmen.
Wer Angst vor einem harten Veräußerungsverbot hat, könnte auch mit einer Sondersteuer die Produkte und Dienstleistungen der Firmen mit Steueroasen-Verbindungen abstrafen.
Bleibt
noch zu klären, was überhaupt Steueroasen sind.
Hier müsste unsere Regierung genaue Steuertarife festlegen und
alle Unterbieter in einer regelmäßig aktualisierten
Schwarzen Liste aufführen.
Als Einstieg könnte ich mir vorstellen, ein Unterschreiten um
mehr als 50 Prozent des in Deutschland üblichen Satzes bei
Ertragssteuern als unbotmäßig zu ahnden. Dieser Satz
könnte bei erfolgreichem Verlauf nach einigen Jahren auf 40
Prozent reduziert werden.
Stufe
3: Niemand will die Ausgrenzung der Steueroasen!
Beim
Kampf gegen die Steuerflucht geht es nicht darum, die heutigen
Steuerdumpingländer zu vernichten oder auszugrenzen.
Ziel ist es vielmehr, ganz ohne internationale Abkommen allmählich zu einer weltweiten Anpassung und Angleichung der Steuertarife und damit auch der Standortbedingungen zu kommen.
Die Steueroasen müssen dazu gebracht werden, von ihrer absurden Nullbesteuerung abzurücken und schrittweise angemessene Tarife einzuführen (wobei sie dann immer noch günstiger sein dürfen als die großen Industrienationen).
Was auf Dauer nicht funktioniert ist die derzeitige Absahn-Mentalität - dass Steueroasen den Rahm abschöpfen von den in anderen Staaten erbrachten Leistungen und Gewinnen.
"Wenn
es keine Steueroasen gäbe, wären viele Konzerne
schon lange aus ihren angestammten Standorten
geflüchtet!" Ich
habe mich bereits an anderer Stelle über die frechen
Rechtfertigungen ereifert. Aber auch der obige Spruch ist
eine schallende Ohrfeige für alle Rechtschaffenen. Wenn
die Steuertarife weltweit angepasst wären, brächte
eine Verlegung der Firmenzentrale keinerlei Vorteile. Einmal
ganz abgesehen davon, dass politisch unsichere
Billiglohnländer sowieso nicht das Standort-Traumziel
für renditesüchtige Aktionäre sein
können. Außerdem
geht es in diesem Zusammenhang gar nicht um den
Produktionsstandort, sondern ganz einfach um einen Boykott
unseriöser Firmen. "Die
Steueroasen erhalten die Konkurrenzfähigkeit vieler
Unternehmen!" Natürlich
werden durch Steueroasen keine Firmen erhalten (ganz im
Gegenteil), sondern lediglich die "Gauner" gegenüber
den Anständigen begünstigt. Dies
kann dazu führen, dass Steuerflucht wichtiger wird als
die sonstige Leistungsfähigkeit der Unternehmen.
Wohin, bitte sehr, hätten die Konzerne denn
flüchten sollen, wenn es überhaupt kein
Steuerdumping geben würde?
Der Erhalt der Absatzmärkte ist nun einmal die
Achillesferse aller Unternehmen - da kann man sie am
ehesten packen.
Und
noch so ein blöder Satz, mit denen die Regierungen der
Industriestaaten eingeschüchtert werden sollen.
Ein Hersteller kann also vom Markt verschwinden, obwohl
seine Produkte besser sind als die der Konkurrenz, die aber
stattdessen bessere Steuertricks auf Lager hat.
Die
Steueroasen bilden das Krebsgeschwür der Marktwirtschaft!
Nochmals
zusammenfassend möchte ich verdeutlichen, warum die Austrocknung
der Steueroasen von so immenser Bedeutung sind für die gesamte
Menschheit:
1.
Geld- und Kaufkraftentzug
Durch
die Existenz der Steueroasen wird nicht nur der natürliche
Geldkreislauf in den Industrieländern behindert (Abzug dringend
benötigter Kaufkraft zur Aufrechterhaltung der
Beschäftigung), es wird das Kapital auch in falsche Kanäle
gelenkt (weil die Industriestaaten ihre Steuerquote wegen der
Dumpingkonkurrenz absenken müssen).
Nutznießer sind Spekulanten und Geldjongleure.
2.
Noch schlechtere Kontrolle des globalen Finanzsystems
Was
passiert, wenn das globale Finanzsystem nicht mehr überschaubar
ist, verdeutlicht die derzeitige Krise.
Gewiss hat die Unüberschaubarkeit und mangelhafte Kontrolle der
Finanzgeschäfte mehrere Ursachen - die Steueroasen
verschärfen aber die ohnehin schon unhaltbaren
Zustände.
3.
Unterwanderung der Marktwirtschaft
Ein
gesunder Markt kann nur gedeihen bei gleichen gerechten Bedingungen.
Der weitgehende Verzicht auf Importzölle unterwandert bereits
grundsätzlich dieses eherne Prinzip.
Durch das Steuerdumping wird das Übel so weit verschärft,
das ein Kollaps der Weltwirtschaft nicht mehr auszuschließen
ist.
Portrait
der Cayman Islands Die
kleine Insel vor Kuba zählt nicht einmal 50.000
Einwohner - und trotz dieser relativen Bedeutungslosigkeit
bringt sie gehörig das gesamte kapitalistische System
ins Wanken. Die
Offshore-Insel erzielt ein Bruttosozialprodukt von 2
Billionen Dollar. 75 % aller weltweit tätigen
Hedgefonds sind hier untergebracht (deren Mitarbeiter
und Chefs sich dorthin aber selten verirren). 40 der 50
größten Banken unterhalten auf den Caymans eine
Niederlassung. Wer
die unzähligen dort ansässigen Firmen aufsuchen
will, wird wenig vorfinden. Die
Cayman Islands sind eine britische Kronkolonie, in der
Ertrags- und Erbschaftssteuern selbstverständlich nicht
anfallen.
Die
Cayman Islands sind nur eine von ca. 40 weltweit
operierenden Steuerparadiesen.
Große Fabriken gibt es dort nicht, in der Regel nicht
einmal ein kleines Minibüro oder einen separaten
Briefkasten. Wer hartnäckig in der kleinen Hauptstadt
George Town sucht, wird u. a. auf ein
fünfstöckiges Gebäude stoßen - dort
sind allein knapp 20.000 Firmen
untergebracht.
Früher lebten hier einmal Seeräuber und
Gesetzlose, die brauchten damals auch keine Steuern zahlen
(die Sache hat also Tradition).
Lediglich auf Zinseinkünfte der Privatleute wird heute
eine 20%ige Quellensteuer erhoben (auf Druck anderer
Staaten).
Der Inselstaat finanziert sich aber hauptsächlich
über eine 20%ige Importsteuer auf eingeführte
Waren und natürlich auch aus den üppigen
Gebühren für die Firmenanmeldungen.
Niedrige
Steuern auf hohe Gewinne Unternehmen Gewinn
2010 Steueranteil Apple 13,0 0,1 AMGEN 3,1 0,2 Intel 2,1 0,2 Cisco 8,3 0,4 Pepsi 4,2 0,8 Oracle 5,0 0,8 Coca
Cola 7,0 1,2 Microsoft 15,4 1,7
Einige Beispiele von im Ausland erzielten Gewinnen und den
dafür abgeführten Steuern (Angaben in Milliarden
US-Dollar):
(Quelle
"Der Spiegel", Heft 46/2012)
Eine
herzliche Bitte: Sollte Ihnen dieser Artikel
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empfehlen Sie ihn bitte weiter. Denn nur die allgemeine
Aufklärung der Bevölkerung ebnet den Weg für
notwendige Reformen. Es dankt Ihnen Manfred J. Müller
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fehlerhaft, unaufrichtig oder unklar dargestellt worden sein, teilen
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Absatz dann prüfen und ggf. abändern.
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www.das-kapital.eu
© Dieser Text ist die Zusammenfassung einer Studie des
Wirtschaftsanalysten und Publizisten Manfred J. Müller aus
Flensburg.
Erstveröffentlichung 2008, Nachtrag 2012. Impressum
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred J. Müller
Ist
eine Demokratie zu schwach, den Bürgern reinen Wein
einzuschenken?
Eine
staatliche, gehirnwäscheartige Dauerpropaganda wird immer wieder
eingesetzt, um konzernfreundliche, radikale Ideologien durchzusetzen
(z. B. die Zollächtung = Inthronisierung des globalen
Dumpingwettbewerbs). Wenn es aber um ein wirklich notwendiges
Umdenken geht (Erhöhung der Mineralölsteuer,
Einführung einer Kerosinsteuer, Verdoppelung der Lkw-Maut,
Aufgabe des gescheiterten Schengener Null-Grenzen-Experiments etc.),
meint man, die Bevölkerung nicht mitnehmen zu können. Denn
das könnte ja Wählerstimmen kosten.