Darf man der amtlichen Inflationsrate trauen?
Die
Berechnung der Inflationsrate ist und bleibt ein Mysterium!
Kein normaler Erdenbürger kann sie nachvollziehen. Dabei ist sie
von hoher politischer Relevanz. Denn je geringer die Inflationsrate
(offiziell) ausfällt, desto besser für die
Lohnentwicklungsbilanz. Es kann ein Wohlstandsanstieg vorgegaukelt
werden, der gar nicht existiert.
Zudem hilft eine schöngerechnete Inflationsrate den
Arbeitgeberverbänden bei den jährlichen Lohnverhandlungen.
Und, was noch viel wichtiger ist: Die EZB nutzt die scheinbar
niedrige Geldentwertung als Legitimation für ihre hochriskante
Billiggeldschwemme (die die Gesetze der Marktwirtschaft
aushebelt).
Die
Preisentwicklung eines undurchsichtigen Warenkorbes bestimmt die
Inflation.
Aber wer
weiß schon, was dieser Warenkorb alles beinhaltet, wie
umfassend er ist und auf wen er überhaupt einigermaßen
zutrifft. Denn aus dem Warenkorb wird ein großes Geheimnis
gemacht. Angeblich soll er sich aus 750 verschiedenen Waren und
Dienstleistungen zusammensetzen - was aber hinter den Kulissen
wirklich geschieht, weiß außer den eingeweihten
Statistikern niemand.
Nun wird immer wieder betont, die Inflationsrate könne halt nur
Durchschnittswerte ermitteln, individuell betrachtet falle sie
für jeden Bürger unterschiedlich aus.
Doch ich traue dem Frieden nicht. Wenn ich zum Beispiel an die
Entwicklung der Immobilienpreise und der Mieten denke - wo und wie
schlägt sich das in der Inflationsrate wieder? Wohnhäuser
und Eigentumswohnungen sind in den letzten Jahren um bis zu 100 %
teurer geworden (vor allem in den Ballungsgebieten). Aber die
Geldentwertung scheint das nicht sonderlich zu tangieren.
Qualitätsverschlechterungen
werden nicht eingepreist.
Viele
Produkte wurden früher für die Ewigkeit gebaut - heute
offenbar nur noch für eine zweijährige
Gewährleistungsfrist. Wenn ich zum Beispiel an meine
Badezimmerlampen denke: Die hochpreisigen (aus dem Ausland
importierten) LED-Leuchten waren ständig defekt, fünfmal
musste in den letzten drei Jahren der Elektriker antanzen
(Schadenssumme mindestens 500 Euro). In welcher Inflationsstatistik
tauchen derlei Sonderausgaben auf?
Auch im Lebensmittelbereich kann man die Qualität von einst
nicht mit der von heute vergleichen. Wenn ich nur an das Fleisch, die
Wurst oder an Backwaren denke: Es schmeckte früher nicht nur
besser, es wurde auch mit anderen Zutaten, mehr Liebe (und weniger
Chemie) zubereitet. Und jeder Schlachter/Bäcker hatte seine
eigenen Geheimrezepte. Bei der heutigen Massenproduktion schmeckt
fast alles gleich.
Stressiges
Einkaufen, ruinöser Wettbewerb, Servicewüste
Der
ruinöse Verdrängungswettbewerb im Handel (resultierend aus
der Aufhebung der Preisbindung) hat vielleicht die
Inflationsrate gedrückt. Aber zu welchem Preis?
Das bequeme, sorgenfreie Einkaufen gehört inzwischen der
Vergangenheit an. Der Normalbürger vergeudet heute einen Teil
seiner kostbaren Freizeit mit Preisrecherchen (um ja nicht zu
viel zu bezahlen). Und der Handel ist gezwungen, die Republik Woche
für Woche mit einer Flut von ökologisch frevelhaften
Werbeprospekten zu überschwemmen (auch kostenmäßig
nicht gerade sinnvoll).
Ganz übel sieht es bei einem Vergleich des Kundendienstes
aus: Die Fachberatung im Handel ist oft auf ein Minimum
geschrumpft, auch weil die Gewinnmargen sich nahezu aufgelöst
haben und viele Kunden am Ende doch im Internet bestellen (bei
Firmen, die nicht einmal telefonisch erreichbar sind und die Ware
womöglich aus dubiosen Quellen beziehen).
Heute habe ich gerade wieder Ärger mit einem privaten
Paketdienst. Seit 10 Tagen warte ich auf die Sendung. Die
Sendungsverfolgung der Firma war mehrfach "außer Betrieb", die
gebührenpflichtige telefonische Hotline vermeldet ständig
"zurzeit nicht erreichbar".
Bekommen unsere Volksvertreter von all dem überhaupt nichts mit?
Vertrauen sie den amtlichen Inflationsraten und der scheinbaren
Wohlstandsmehrung?
Der
"geniale" Trick: 2002 erfolgte die Einführung der hedonischen
Inflationsberechnung
(niedrige
Inflationsrate = niedrige Lohnerhöhung)
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Impressum
©
Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung
2012
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred J. Müller
"Ich
lese nur das, was meine eigene Meinung bestätigt! Ich
will mich ja schließlich nicht
ärgern!"
Mit
dieser weit verbreiteten Haltung ist der Demokratie aber wenig
gedient. Merkwürdig, dass man derlei Sprüche gerade von
Leuten hört die vorgeben, die Demokratie retten zu wollen und
sich selbst für tolerant halten.